Das Handelsblatt hat heute den als geheim eingestuften Sonderbericht zur Arbeit der Wirtschaftsprüfgesellschaft EY bei Wirecard veröffentlicht.
Er wurde am 16. April 2021 von einem Team um Martin Wambach an den Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zu Wirecard übergeben. Wambach ist Vorstand des Instituts der Wirtschaftsprüfer. Am selben Tag stufte die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestags den Wambach-Bericht als geheim ein. Anträge zu seiner Veröffentlichung scheiterten.
Parallel zum Upload zeichnet das Handelsblatt heute in seiner Wochenend-Ausgabe die größten Probleme nach, die das Wambach-Team mit der Arbeit von EY hatte. Demnach habe EY schon 2015 „wesentliche Defizite in der Buchhaltung“ gefunden, die als so genannte „Fraud-Indikatoren“ einzuschätzen gewesen seien und „von einem Abschlussprüfer als solche hätten gewürdigt werden können“.
Der Wambach-Bericht geht mit EY hart ins Gericht. Die Wirtschaftsprüfer, die bei Wirecard seit 2009 die Bilanzen prüften, hätten zahlreiche Warnsignale übersehen. Wenn sie Auffälligkeiten entdeckt hätten, seien sie diesen oft nicht nachgegangen. Immer wieder finden sich im Sonderbericht Sätze wie: „Von EY war keine Diskussion und Plausibilisierung dieser Auffälligkeiten erkennbar“ oder „Ausweislich der Arbeitspapiere des Abschlussprüfers wurde diesen Inkonsistenzen jedoch nicht nachgegangen.“
In den Arbeitspapieren von EY sei weder „die notwendige kritische Grundhaltung“ erkennbar, noch die aus der speziellen Situation resultierende „höhere Risikoeinschätzung eines Abschlussprüfers“, zitiert das Handelsblatt aus dem Wambach-Bericht. Bei der besonders kritisch einzustufenden Übernahme der indischen Hermes-Gruppe habe sich EY „im Wesentlichen auf mündliche und schriftliche Erklärungen der möglicherweise unter Verdacht stehenden Personen“ verlassen. Bei einem wichtigen Kaufvertrag mit der Al Alam Gruppe aus Dubai sei den Prüfern nicht einmal aufgefallen, dass im Vertrag anstelle von Al Alam sechsmal der Name eines anderen Unternehmens stand.
EY wies den Vorwurf des Fehlverhaltens zurück. „Entsprechend der IDW-Prüfungsstandards lässt eine Beurteilung in Rückschau gerade keinen Rückschluss auf Fehlverhalten des Abschlussprüfers zu“, sagte ein EY-Sprecher. „Hinzu kommt, dass die Ermittlungsbeauftragten bei ihrer Arbeit – ebenfalls entsprechend der konkreten Ausgestaltung ihres Ermittlungsauftrages und in Anbetracht des engen Zeitrahmens – nur einzelne Aspekte der Prüfungshandlungen von EY betrachten konnten und ihre Durchsicht demnach auf einen Ausschnitt der zu den Jahres-/und Konzernabschlussprüfungen verfügbaren Dokumente beschränkt haben. Dessen ungeachtet möchten wir betonen, dass die Prüfer von EY ihre Prüfungshandlungen nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt haben. Das Prüfungsteam hat sämtliche Hinweise und Vorwürfe jederzeit ernst genommen und ist diesen jeweils gezielt nachgegangen.“
Seit der Beendigung des Untersuchungsausschusses hat niemand mehr Zugriff auf den Wambach-Bericht. „Das ist nicht im Sinne der Aufklärung und Transparenz, die alle beteiligten staatlichen Stellen versprochen haben“, sagt Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes. „Wir veröffentlichen den Bericht heute, damit sich die Betroffenen selbst ein Bild machen können. Ein so wichtiges Dokument, bezahlt vom Steuerzahler, darf der Öffentlichkeit nicht vorenthalten bleiben.“
Das 168-seitige Dokument steht auf der Handelsblatt-Webseite unter der Adresse www.handelsblatt.com/wambach.